Gestapo, Juden und gewöhnliche Deutsche
Terror stand im Zentrum der nationalsozialistischen Diktatur. Ohne Terror, so die landläufige Meinung, hätte das Regime sich nicht halten können. Die Angst vor der Gestapo habe die Bevölkerung diszipliniert. Diese Sicht lässt sich nicht länger halten, meint der Historiker Eric A. Johnson. In seiner glänzend recherchierten Untersuchung über die Gestapo zieht er ganz neue Schlüsse: Die Nationalsozialisten herrschten nicht durch Terror, und der Terror hat das Leben der meisten gewöhnlichen Deutschen nicht berührt. Der Terrorapparat, der von der Parteiführung in Berlin in Gang gesetzt wurde, arbeitete vielmehr "selektiv". Er richtete sich fast ausnahmslos gegen Juden und andere, die dezidiert als "unerwünscht" oder als Feinde des Regimes betrachtet wurden: Kommunisten, Sozialisten, Homosexuelle, Zeugen Jehovas, Geistliche, Behinderte, "Gewohnheitsverbrecher". Die Gestapo war mitnichten omnipräsent, sondern eine relativ kleine Organisation mit wenigen Mitarbeitern und Spitzeln. Dass sie trotzdem so effektiv war, lag an der Kooperation und freiwilligen Mitwirkung weiter Kreise der gewöhnlichen deutschen Bevölkerung, die kaum oder gar nicht unter dem nationalsozialistischen Terror zu leiden hatte. Im Gegenteil: Diese kontrollierte sich weitgehend selbst. Gestützt auf mehr als 1100 Fälle aus Gestapo- und Justizakten in und um Köln sowie zahlreiche Interviews mit Tätern, Opfern und anderen Zeitzeugen, beleuchtet Johnson die Struktur des Terrorapparats und das Spektrum der Opfer, schildert die Täter und ihre Taktiken. Die beunruhigenden Fragen, die er dabei aufwirft, zielen direkt auf den Kern der Debatte, die seit Goldhagen die Gemüter erregt: In welchem Maß und aus welchen Motiven wurden gewöhnliche Deutsche schuldig an den Verbrechen, die andere für sie, nein: mit ihnen begingen?
Buch, 638 Seiten (Hardcover)