Bildung und Erziehung in frühsozialistischen, libertären und reformpädagogischen Kontexten
Die Beiträge des Bandes gehen auf ein Symposium im Rahmen der internationalen ISCHE 34-Konferenz vom Juni 2012 in Genf zurück. Maurice Schuhmann zeigt den pädagogischen Diskurs im Frühsozialismus bei Henri de Saint-Simon, Charles Fourier und Robert Owen auf und stellt die Verbindung zu späteren anarchistischen Konzepten von Bildung und Erziehung her. Hans-Ulrich Grunder (Basel) beschäftigt sich mit drei „Klassikern“ der anarchistischen Schulpädagogik in Frankreich und der Schweiz im Zeitraum von 1880 bis 1919: Paul Robin und das Waisenhaus in Cempuis, Sébastian Faure und seine Schule La Ruche in Rambouillet und Jean Wintsch mit der Ecole Ferrer in Lausanne. Ulrich Klemm (Augsburg) recherchiert die internationale Rezeption der libertären Reformpädagogik von Leo Tolstoi. Im Beitrag von Armin Bernhard (Essen) steht der heute vergessene, aber bedeutende aus Österreich stammende sozialistische Reformpädagoge und Austromarxist Otto Felix Kanitz (1940 ermordet im KZ Buchenwald) im Mitterlpunkt.
Der Band zeigt die Facettenvielfalt und Heterogenität einer Freiheitspädagogik im 19. und 20. Jahrhundert an ausgewählten Beispielen und macht deutlich, dass es in diesem Zeitraum bis heute eine Tradition von Gegenentwürfen zur etatistischen Bildungskultur gibt, die auch immer einer starken Repression ausgesetzt war und letztendlich nicht in den Lehrkanon pädagogischer Professionalisierung aufgenommen wurde.
Buch, 112 Seiten
Erziehung ist eine Übung darin, den Tisch für den Nachbarn zu decken. Sie findet zwischen den Generationen in dem Versuch statt, gesellschaftliche Verhältnisse zu entwickeln, in denen Gebrauchswerte jeder Art nicht im Kleingedruckten der allgemeinen Geschäftsverbindungen verschwinden. Wenn jenseits aller formalen Bemessungsgrundlagen einer sich verantwortlich fühlt, nicht nur für das, was er tut, sondern auch für das, was anderen geschieht, wenn er bereit ist persönliche Nachteile dafür in Kauf zu nehmen, dass seinen Mitbürgern ein ökonomisches und kulturelles Minimum zugestanden wird, ihnen also basale Gerechtigkeit widerfährt, wenn er sich auch in widersprüchlichen Situationen nicht nur zu orientieren, sondern auch begründ - und verantwortbar zu entscheiden weiß, mag man getrost von einem sprechen, der sich ein Bild gemacht hat. Verstümmelt und mittels unsinniger Bindestriche ständig aufs Neue prostituiert, grüßt aus den Folterkammern des politischen Marketings: die „Bildung“.